YOUTH BULGE

Gunnar Heinsohn und der Youth Bulge

In einer Welt, die zunehmend durch ökonomische Spannungen und demografische Verschiebungen geprägt ist, erweist sich der „Youth Bulge“ als eine zentrale Bedrohung für den sozialen Frieden und die Stabilität. Der von dem Soziologen Gunnar Heinsohn geprägte Begriff beschreibt eine demografische Situation, in der eine überdurchschnittlich große Zahl junger Menschen in einer Gesellschaft vorhanden ist – besonders in Ländern, die von wirtschaftlicher Stagnation und politischer Instabilität betroffen sind.

Heinsohn argumentiert, dass diese Konstellation – ein Überschuss an jungen Männern, denen sowohl Perspektiven als auch Arbeitsmöglichkeiten fehlen – zu Gewalt und Migration führt. Während die westlichen Industrienationen mit den sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung ringen, drängt eine wachsende, junge und arbeitsuchende Masse aus den Krisengebieten der Welt nach Europa. Dies stellt nicht nur eine Herausforderung für die Integrationsfähigkeit dar, sondern birgt auch das Potenzial für massive gesellschaftliche Verwerfungen.

Die globale Demografie

Wenn man die Welt durch die Linse der wirtschaftlichen und demografischen Leistungsfähigkeit betrachtet, kristallisieren sich zwei große Machtblöcke heraus: Die Ostasiaten – bestehend aus Ländern wie China, Japan, Korea und Vietnam – und die Europäiden, also Europa, die USA und Israel. Diese beiden Gruppen, zusammen etwa 2,8 Milliarden Menschen, erzeugen rund 75 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts. Während Ostasien im letzten Jahrhundert in das System der globalen Eigentumsstruktur eingetreten ist und seither dank akademischer Spitzenleistungen kontinuierlich aufholt, bleiben die restlichen 4,5 Milliarden Menschen der Erde zunehmend zurück.

Dieser Rückstand ist nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Ungleichheit, sondern auch der Innovationskraft. Während die besten ostasiatischen Schüler bei internationalen Wettbewerben wie Pisa regelmäßig Spitzenwerte erreichen, sinken die Leistungen in den Ländern des globalen Südens kontinuierlich ab. Diese Abwärtsspirale wird verstärkt, weil die besten Köpfe aus diesen Regionen von den Industrienationen abgeworben werden – eine Art „Brain Drain“, der die ohnehin schwachen Länder weiter destabilisiert.

Sozialstaat als Magnet

Besonders Europa, mit seinen großzügigen Sozialsystemen, wird zum Ziel einer wachsenden Zahl von Migranten aus den wirtschaftlich und politisch schwachen Regionen Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens. Während Ostasien eine strenge Migrationspolitik verfolgt, die nur hochqualifizierten Zuwanderern den Eintritt erlaubt, öffnen sich die Tore Europas auch für weniger qualifizierte Menschen. Diese Strategie ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits werden dringend benötigte Arbeitskräfte angelockt, andererseits belasten die unqualifizierten Zuwanderer die sozialen Sicherungssysteme in einem Maße, das langfristig nicht nachhaltig ist.

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Skandinavien, einst als Musterbeispiel für eine offene und humane Migrationspolitik bekannt, hat inzwischen begonnen, seine Grenzen strenger zu kontrollieren. Osteuropäische Länder, von Estland bis Ungarn, wehren sich seit Jahren vehement gegen die Aufnahme größerer Migrantengruppen. In Westeuropa, insbesondere in Deutschland, das bereits heute etwa 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund zählt, stellt sich hingegen die Frage, wie lange diese großzügige Aufnahmebereitschaft angesichts der wachsenden Belastungen noch aufrechterhalten werden kann.

Eine Demografie der Gewalt

Ein Schlüsselkonzept zur Analyse der Migrationsströme ist der sogenannte Kriegsindex, der das Verhältnis von jungen Männern im Alter von 15 bis 19 Jahren zu älteren Männern im Alter von 55 bis 59 Jahren misst. Länder mit einem hohen Kriegsindex, wie viele Staaten in Afrika und dem Nahen Osten, haben eine überproportionale Zahl junger Männer, die in den Arbeitsmarkt drängen oder – mangels Alternativen – zu Gewalt oder Migration greifen. Diese jungen Männer haben keine Perspektiven und werden oft in militärische Konflikte verwickelt, die ihnen zumindest die Chance auf ein Überleben bieten.

Deutschland hingegen hat einen Kriegsindex von 0,66, was bedeutet, dass auf 1000 ältere Männer nur 666 junge nachrücken. In vielen Ländern des globalen Südens, wo der Kriegsindex zwischen 3 und 7 liegt, ist das Bild hingegen ein völlig anderes. Diese demografische Spannung trägt maßgeblich zur Fluchtbewegung nach Europa bei, wo die alternden Gesellschaften versuchen, ihr wirtschaftliches Niveau zu halten, während die jungen Menschen aus dem globalen Süden auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen sind.

Die afrikanische Bevölkerungsexplosion

Besonders beunruhigend ist die demografische Entwicklung Afrikas. Während 1950 noch etwa 180 Millionen Menschen auf dem Kontinent lebten, sind es heute über eine Milliarde, und bis 2050 werden es voraussichtlich 2,2 Milliarden sein. Schon 2009 wollten etwa 38 Prozent der afrikanischen Bevölkerung auswandern – das entspricht heute etwa 400 Millionen Menschen. Bis 2050 könnte diese Zahl auf 850 Millionen anwachsen, die bereit sind, nach Europa zu kommen. Selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Menschen den Kontinent verlassen würde, wäre dies eine enorme Herausforderung für die europäischen Aufnahmeländer.

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Die arabische Welt, deren Bevölkerung ebenfalls rasant wächst, stellt eine ähnliche Herausforderung dar. 2009 wollten 23 Prozent der Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika auswandern, heute dürfte dieser Anteil bei etwa 30 Prozent liegen. Auch hier steht Europa vor einer potenziellen Migrationswelle von mehreren hundert Millionen Menschen, die sich auf der Suche nach einem besseren Leben nach Norden wenden.

Die Last der kreativen Klasse

Die finanzielle und soziale Last dieser Entwicklungen wird vor allem von der sogenannten „kreativen Klasse“ getragen – einer Gruppe von hochqualifizierten Fachkräften, Wissenschaftlern und Ingenieuren, die die Innovationen schaffen, die den Wohlstand der westlichen Welt sichern. Diese Gruppe, die in Ländern wie Deutschland und Österreich bereits jetzt mit den weltweit höchsten Steuersätzen belastet ist, wird zunehmend unter Druck gesetzt. Während sie für den Erhalt der Sozialsysteme verantwortlich gemacht wird, ziehen immer mehr ihrer Mitglieder in Länder wie Kanada, Australien oder Neuseeland, wo sie mit besseren Arbeitsbedingungen und niedrigeren Steuern gelockt werden.

Das Mittelmeer als Grenze

Eine der dringendsten Fragen, die sich Europa in den kommenden Jahren stellen muss, ist die Kontrolle seiner südlichen Grenze. Das Mittelmeer, das als tödlichste Grenze der Welt gilt, könnte theoretisch geschlossen werden, ähnlich wie die Grenzen Australiens. Dort hat die Operation Sovereign Border seit 2013 verhindert, dass Migranten auf gefährlichen Bootsüberfahrten ums Leben kommen. Wenn Europa entschlossen handeln würde, könnte es mit einer ähnlich strengen Grenzpolitik das Sterben im Mittelmeer beenden und gleichzeitig den Anreiz für gefährliche Überfahrten verringern.

Das Ende der Toleranz

Europa steht an einem Scheideweg. Die demografischen Realitäten und die wachsenden Migrationsströme erfordern eine grundsätzliche Neuausrichtung der politischen Strategien. Die Frage ist, ob die Europäer bereit sind, ihre Toleranz gegenüber unkontrollierter Zuwanderung aufrechtzuerhalten, oder ob sie – wie bereits viele Länder weltweit – ihre Grenzen schließen und ihre Sozialsysteme schützen werden. Was auf dem Spiel steht, ist nicht nur die soziale Kohärenz Europas, sondern möglicherweise auch dessen Zukunft als wirtschaftliche und kulturelle Großmacht.

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