Vorhang auf für das politische Feigenblatt
Der NATO-Generalsekretär: Ein besserer Pressesprecher in Maßanzug
Es ist immer ein schöner Moment, wenn die Weltpresse in den eleganten Hallen der NATO zusammentrifft, die Kameras blitzen, und der charmante, gut frisierte Herr hinter dem Rednerpult sein warmes, professionell trainiertes Lächeln aufsetzt. Die Rede ist vom NATO-Generalsekretär, jenem angeblich wichtigsten Mann des westlichen Verteidigungsbündnisses. Schon der Titel klingt imposant, fast ehrfurchtsvoll: Generalsekretär der Nordatlantischen Allianz, das hört sich doch an, als führe dieser Mann mit eiserner Hand und großem strategischen Scharfsinn die mächtigste Militärallianz der Welt. Weit gefehlt.
Wer genauer hinschaut, dem offenbart sich die bittere Wahrheit: Der NATO-Generalsekretär ist bestenfalls ein Politiker mit exquisitem diplomatischen Geschick, schlimmstenfalls ein glorifizierter Pressesprecher, der wenig mehr als die kommunikative Hülle für die eigentlichen Entscheidungen bildet, die hinter verschlossenen Türen und in wesentlich schlichteren Uniformen getroffen werden. Wollen wir wirklich glauben, dass der sympathische Nordeuropäer mit strahlendem Lächeln die Richtung vorgibt, wenn die Militärmaschine der NATO ins Rollen kommt? Wohl kaum.
Die wahre Macht sitzt in Camouflage
Es ist kein Geheimnis – zumindest sollte es keines sein –, dass die eigentliche Macht in der NATO nicht in den Händen des Generalsekretärs liegt, sondern bei einem Mann mit einem viel sperriger klingenden Titel: Supreme Allied Commander Europe, oder kurz SACEUR. Dieser militärische Titel klingt auf den ersten Blick nicht ganz so glamourös wie der des Generalsekretärs, verbirgt jedoch die wahre Macht innerhalb des Bündnisses. Während der Generalsekretär eloquente Reden schwingt und auf unzähligen Gipfeltreffen Hände schüttelt, ist es der SACEUR, der den tatsächlichen Oberbefehl über die NATO-Truppen führt.
Hier zeigt sich eine köstliche Ironie: Die NATO, das angeblich rein auf Konsens basierende Bündnis von gleichberechtigten Nationen, wird auf militärstrategischer Ebene seit ihrer Gründung von einem einzigen Land dominiert – den Vereinigten Staaten. Denn der SACEUR ist immer, ohne Ausnahme, ein US-amerikanischer General oder Admiral. Zufall? Sicher nicht. Es ist vielmehr die klare Machtarchitektur dieser Allianz: Die Europäer liefern die Schlagzeilen, die Amerikaner die Befehle.
Der Diplomat im Maßanzug
Nun könnte man sich fragen, wozu es überhaupt einen Generalsekretär braucht, wenn der eigentliche Kommandeur in Uniform an den Strippen zieht. Die Antwort ist so banal wie auch traurig: Man braucht einen eloquenten Diplomaten, um die Fassade aufrechtzuerhalten, dass die NATO eine politische Organisation sei, die ihre Entscheidungen in demokratischem, internationalem Konsens trifft. Man braucht einen gepflegten, jovialen Nordeuropäer oder Skandinavier, der sich gut im Fernsehen macht und die Bevölkerung davon überzeugt, dass alles unter Kontrolle sei, während im Hintergrund die Militärmaschine weiter brummt.
Der Generalsekretär ist also im Wesentlichen ein brillanter Kommunikator, dessen Aufgabe es ist, die Beschlüsse, die anderswo gefasst wurden, der Öffentlichkeit zu verkaufen. Er ist ein Verkäufer – nicht mehr und nicht weniger. Mit etwas Glück verfügt er über diplomatisches Geschick und die Fähigkeit, sich in den Intrigen des internationalen Parketts zu bewegen. Doch letztlich ist er nicht mehr als eine Figur auf dem Schachbrett, und wer die Züge macht, sitzt in Washington, D.C.
Die große Inszenierung der Macht
Es ist faszinierend, wie gut dieses Schauspiel seit Jahrzehnten funktioniert. Man inszeniert die Gipfeltreffen und Pressekonferenzen, als ob der Generalsekretär die große Bühne betreten würde, um schwerwiegende Entscheidungen zu verkünden. Tatsächlich ist er aber nur der Überbringer der Botschaften, die von ganz anderen Akteuren hinter den Kulissen ausgearbeitet wurden. Hierbei sei nicht nur an die großen militärstrategischen Entscheidungen erinnert, sondern auch an die immer wiederkehrenden Mantras über die Notwendigkeit erhöhter Verteidigungsausgaben, den Schutz der Freiheit und die moralische Verantwortung des Westens. Der Generalsekretär darf all dies mit gravitätischer Ernsthaftigkeit verkünden, ohne jedoch jemals tatsächlich über die Mittel zu verfügen, um solche Versprechen auch selbst umzusetzen.
Und dann kommt die Pointe des Ganzen: Während der Generalsekretär sich in den großen Fragen der globalen Sicherheit verliert, steht der SACEUR schon bereit, um die nächsten Manöver zu planen, die nächsten Truppenbewegungen zu befehlen und die nächsten strategischen Ziele zu formulieren. Militärische Macht braucht keine Reden – sie braucht Präzision und Befehlsketten. Und all das geschieht unter den Augen des Generalsekretärs, der freundlich lächelnd daneben steht und sich überlegt, wie er das Ganze dem nächsten Reporter am besten verkauft.
Der ewige US-General
Hier offenbart sich ein weiteres herrliches Paradoxon: Während der Generalsekretär in Europa gern als das Gesicht der NATO verkauft wird, läuft die eigentliche Macht in der Allianz unweigerlich über Washington. Der SACEUR ist nicht nur der militärische Oberbefehlshaber der NATO, sondern zugleich der Kommandeur des US European Command (USEUCOM). Das bedeutet, dass er nicht nur die NATO-Truppen befehligt, sondern gleichzeitig auch den amerikanischen Streitkräften in Europa vorsteht. Diese Doppelfunktion stellt sicher, dass die Interessen der Vereinigten Staaten immer mit denen der NATO identisch sind – zumindest auf militärischer Ebene.
Während also europäische Politiker noch über ihre nationalen Verteidigungsetats streiten und um Einfluss innerhalb des Bündnisses ringen, steht der amerikanische General bereits in den Startlöchern, um den nächsten Einsatz zu planen. So viel zur „Partnerschaft auf Augenhöhe“, die in unzähligen Pressemitteilungen beschworen wird. Tatsächlich ist die NATO ein komplexes, militärisch dominiertes Konstrukt, das von den Vereinigten Staaten kontrolliert wird, während die Europäer brav den politischen Teil übernehmen dürfen.
Ein Pressesprecher ohne Uniform
Man könnte fast Mitleid mit dem NATO-Generalsekretär haben, wenn man darüber nachdenkt, wie wenig tatsächliche Macht er in den Händen hält. Während er auf den politischen Bühnen dieser Welt hofiert wird, ist er nichts weiter als das Gesicht einer Organisation, die von den USA dominiert und militärisch geführt wird. Die Vorstellung, dass der Generalsekretär eine Art Oberkommandeur der NATO sei, ist nicht nur naiv, sie ist schlichtweg falsch.
Stattdessen haben wir es hier mit einer doppelten Führungsstruktur zu tun, bei der die Politik und die öffentlichen Beziehungen dem Generalsekretär überlassen werden, während die tatsächliche militärische Macht beim SACEUR liegt – und damit immer in amerikanischen Händen. Der Generalsekretär ist also nicht viel mehr als ein politisches Feigenblatt, ein gewitzter Diplomat und ein brillanter Kommunikator, der das militärische Machtmonopol der Vereinigten Staaten innerhalb der NATO verschleiern soll. Und so lange die Kameras blitzen und die Mikrofone eingeschaltet sind, wird dieses Schauspiel auch weiterhin funktionieren.
Weiterführende Links:
- NATO Offizielle Seite – NATO Allied Command Operations
- Detaillierte Informationen zum SACEUR – NATO Supreme Allied Commander Europe
- US European Command (USEUCOM) – USEUCOM Offizielle Seite
- Hintergrundinformationen zur Rolle des NATO-Generalsekretärs – NATO Generalsekretariat