Pannonischer Walzer

Bableristas, Burgenland-Barone und Wiener Walzer

Die österreichische Sozialdemokratie, diese ehrwürdige Tante, die wir alle kennen, ist so etwas wie die altehrwürdige Verwandte, die auf jeder Familienfeier auftaucht, aber niemand so genau weiß, ob sie wegen der Tradition oder aus echter Zuneigung eingeladen wurde. Einst war sie eine große Erscheinung, stand aufrecht, war lebendig und streitbar, doch in den letzten Jahren hat sie begonnen, ein wenig zu humpeln. Der Punsch wird stärker, der Humor zynischer, und die Verwandten tuscheln hinter vorgehaltener Hand, ob sie noch alle Tassen im Schrank hat.

Einst Hüterin der sozialen Gerechtigkeit, ist sie mittlerweile eher zur Verkörperung der Verlegenheit geworden – eine Ideologie auf der Suche nach einer Stimme, einer Richtung und, ehrlich gesagt, einem vernünftigen Paar Schuhe. Doch jetzt, im Jahr 2024, in einer Zeit des rasenden Stillstands, in der sich die politischen Windmühlen schneller drehen, als die Tante dem Beitrittsformular für den Seniorenklub unterschreiben kann, findet sie sich in einer kuriosen Dreiecksbeziehung wieder. Da wäre der linke Revoluzzer Andreas Babler, die Gallionsfigur der „Bableristas“, der pannonische SPÖ-Fürst Hans Peter Doskozil, dessen Stimme im Burgenland mehr Gewicht hat als die Schwerkraft selbst, und dann noch Michael Ludwig, der Wiener Schwergewichtler, ein Mann so schwer zu fassen, dass er selbst in einem Aufzug Platzangst bekommt.

Ein Arbeiterklasse-Messias ohne Land

Die große Hoffnung der SPÖ-Linken hört auf den Namen Andreas Babler. Der Mann, der vom Bürgermeister der kleinen Gemeinde Traiskirchen zum Retter der österreichischen Sozialdemokratie aufstieg – zumindest, wenn man den „Bableristas“ glauben schenken mag, jener bunten Schar von linken Aktivisten, Gewerkschaftlern und Sozialromantikern, die sich als seine Jünger verstehen. Babler, das linke Gewissen der SPÖ, ruft nach Gerechtigkeit und Solidarität – ein Don Quijote, der nicht gegen Windmühlen, sondern gegen das neoliberale Establishment kämpft.

Die Realität? Nun, sie ist ein hartnäckiger Gegenspieler. Babler spricht vom „sozialistischen Paradies“, doch die Wähler rufen eher nach einer ordentlichen Steuerreform. Seine Reden sind voll von Pathos und klassenkämpferischen Parolen, aber am Ende bleibt die Frage: Wer soll diesen Mann eigentlich wählen? Die Arbeiterklasse, die sich in den letzten Jahren von der Sozialdemokratie abgewandt hat, weil sie das Gefühl hat, die Partei kümmere sich mehr um Genderfragen und Fahrradschnellwege als um ihre Jobs? Oder die Intellektuellen, die Bablers Rhetorik zwar bewundern, aber lieber am Prenzlauer Berg demonstrieren, statt in einer Gemeindebauwohnung in Favoriten?

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Babler versucht, das alte Feuer der Arbeiterbewegung neu zu entfachen, aber die Zeiten, in denen die Proletarier aller Länder sich vereinten, um den Kapitalismus zu stürzen, scheinen längst vorbei. Es ist fast rührend zu sehen, wie Babler mit einer Inbrunst kämpft, als stünden die Barrikaden bereits bereit, aber leider ist es schwer, Revolution zu machen, wenn der einzig zuverlässige Revolutionspartner der Bürgermeister von Traiskirchen ist.

Der pannonische Fürst mit Kaiserambitionen

In der Ecke des Rings gegenüber steht Hans Peter Doskozil, der Mann aus dem Burgenland, ein SPÖ-Grande mit einem politischen Instinkt so scharf wie der Wind über dem Neusiedler See. Doskozil, der pannonische Fürst, der es liebt, in eigener Sache die Strippen zu ziehen, hat sich in der SPÖ so tief eingegraben wie die Reblaus im Weinstock.

Doskozil ist ein Mann der Tat, kein Mann der Worte – zumindest nicht zu viele. Er liebt es, sich als pragmatischen Macher darzustellen, als Mann, der die Dinge erledigt, während andere nur reden. Seine Vorstellung von Sozialdemokratie ist dabei allerdings weniger inspiriert vom revolutionären Feuer der Bableristas als vielmehr von einem knallharten Realismus, der im Burgenland gut ankommt. Es ist eine Mischung aus konservativer Tradition, sozialer Marktwirtschaft und einem leichten Hang zum autoritären Paternalismus. Man könnte fast sagen, Doskozil betreibe eine Art „pannonischen Sozialismus“ – freundlich, aber bestimmt, und stets darauf bedacht, den Herrscher nicht allzu hart zu kritisieren, weil man ja im Grunde ganz gut mit ihm auskommt.

Die Frage ist jedoch, ob Doskozils Erfolgsmodell aus dem Burgenland sich auf das ganze Land übertragen lässt. Wien ist nicht Eisenstadt, und was im pannonischen Hinterland funktioniert, könnte in den Großstädten auf taube Ohren stoßen. Aber Doskozil ist entschlossen. Er will nicht nur der kleine Fürst des Burgenlandes sein – er strebt nach der Krone der SPÖ. Ob die Partei das will? Nun, das ist eine ganz andere Frage.

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Der Unsichtbare im Roten Rathaus

Und dann gibt es da noch Michael Ludwig, den Mann im Hintergrund, der sich mit bemerkenswerter Beharrlichkeit aus den Schlagzeilen hält, außer wenn es darum geht, ein Wiener Wohnbauprojekt zu eröffnen. Ludwig, das politische Schwergewicht aus Wien, ist ein Mann, der seine Macht eher still ausübt, aber das heißt nicht, dass er nicht über sie verfügt. Wenn Babler der Sozialist und Doskozil der Pannonier ist, dann ist Ludwig der Technokrat, der sich im Labyrinth der Wiener Bürokratie bewegt wie Ariadne im Minotaurus-Labyrinth – nur, dass er den Faden nicht ausrollen muss, weil er sich eh nie verirrt.

Ludwigs politische Strategie lässt sich als eine Mischung aus vorsichtigem Abwarten und gezieltem Eingreifen beschreiben. Während Babler und Doskozil sich lautstark um die Führung der SPÖ streiten, sitzt Ludwig in seinem Büro im Roten Rathaus und wartet darauf, dass sich die Dinge von selbst regeln. Man könnte meinen, Ludwig sei das genaue Gegenteil eines Revolutionärs – ein Mann, der sich eher darauf verlässt, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind, anstatt sie zu verändern.

Die große Tante in der Midlife-Crisis

Und so steht sie nun da, die Tante Sozialdemokratie, eingeklemmt zwischen drei Männern, die jeweils eine andere Vorstellung davon haben, wie ihre Zukunft aussehen soll. Babler will sie radikal verjüngen, Doskozil will sie im Burgenland-Stil sanieren, und Ludwig würde sie am liebsten in Ruhe lassen, weil das doch bisher auch ganz gut funktioniert hat.

Die Frage ist nur: Wer von diesen Dreien wird sich durchsetzen? Oder wird die SPÖ weiter in ihrer eigenen Midlife-Crisis gefangen bleiben, auf der Suche nach ihrer Identität und einem Weg, wie sie in einer Welt bestehen kann, die längst weitergezogen ist? Vielleicht liegt die Antwort darin, dass die Tante Sozialdemokratie sich einfach eingestehen muss, dass sie nicht mehr die Jüngste ist und ihre besten Tage vielleicht hinter sich hat. Aber wer weiß? Vielleicht gibt es ja doch noch ein Comeback.


Quellen und weiterführende Links

  1. Politische Theorie des Overton-Fenstershttps://www.politischetheorie.at/overton-fenster
  2. Die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratiehttps://www.spoe.at/geschichte
  3. Andreas Babler und die neue Linkehttps://www.andreasbabler.at
  4. Hans Peter Doskozils Erfolg im Burgenlandhttps://www.doskozil.at
  5. Michael Ludwigs Wiener Wohnbaupolitikhttps://www.wien.gv.at
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