Kompetenzchecks und Kaffeesudlesen
Die Zukunft der Arbeit in Bablers Österreich
So fix bring ma‘ die Leut’ in den Arbeitsmarkt! verkündet Andreas Babler, als wäre er der erste Mensch, der die Idee hatte, Arbeitslosen eine Beschäftigung zu verschaffen. Doch anstelle von fundierten Arbeitsmarktstrategien kommt der Vorschlag auf den Tisch: Kompetenzchecks – als ob die Vergangenheit uns nicht längst gezeigt hätte, dass der Begriff „Check“ in der Bürokratie oft nur ein elegantes Synonym für „wir haben keine Ahnung, aber wir tun, als ob“ ist. Ein Rückblick auf das Jahr 2015 und die heroischen Versuche des AMS, dem Land die gebildetsten Flüchtlinge seit Einstein und Oppenheimer zu verkaufen, mag in diesem Zusammenhang erhellend sein. Doch bevor wir weitermachen: Ja, die Kompetenzchecks öffnen Horizonte – wenn auch eher in die Parallelwelt des politischen Wunschdenkens.
Der Tag, an dem Österreich plötzlich dumm wurde
2015 war ein Jahr der Entdeckungen. Nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch in der internationalen Bildungspolitik. Das AMS präsentierte stolz seine bahnbrechenden Ergebnisse: Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien sind gebildeter als Österreicher! Ja, Sie haben richtig gelesen. Diese Aussage hätte selbst die Wiener Kaffeehaus-Intellektuellen zum Staunen gebracht. Mit einem einzigen Kompetenzcheck wurde bewiesen, dass die österreichische Bildungspolitik jahrzehntelang falsch lag. Anstelle von Schulsystemreformen und PISA-Studien hätte man einfach ein paar Leute aus dem Irak einladen sollen. Die hätten uns schon gezeigt, wie das mit der Bildung geht.
Das AMS behauptete, 23 % der befragten Flüchtlinge hätten ein abgeschlossenes Studium. Das ist beeindruckend – wenn man bedenkt, dass nur 15,9 % der Österreicher dasselbe von sich behaupten können. Ein Drittel der Menschen auf der Flucht hat also mehr Bildung genossen als der durchschnittliche Österreicher, der mit Mühe und Not das kleine Latinum hinter sich bringt.
Natürlich, es gibt ja keinen Grund zu zweifeln. Oder? Schließlich wurde nur ein klitzekleiner Teil dieser „Bildungsrevolutionäre“ gebeten, ihre Diplome zu zeigen. Denn, wie uns die Wiener AMS-Chefin Draxl glaubhaft versicherte, „wir glauben den Menschen“. Warum sollte man auch Zeugniskopien verlangen, wenn man ohnehin sicher ist, dass jeder, der sich an einen Kompetenzcheck setzt, nur die Wahrheit spricht? Schließlich gab es vor der österreichischen Bürokratie noch nie jemanden, der die Notwendigkeit von formellen Nachweisen anzweifelte.
Die Naivität feiert fröhliche Urständ
Der Chef des AMS, Johannes Kopf, zeigte sich von den Ergebnissen, insbesondere der Syrer und Iraker, „beeindruckt“. Beeindruckt ist man von einem gelungenen Menü, einer schönen Symphonie oder einer perfekten Fußball-Choreografie. Aber beeindruckt zu sein von etwas, das man nicht überprüft hat, klingt eher nach den Reaktionen eines verliebten Teenagers als nach einem rationalen Verwalter des Arbeitsmarktes. Man könnte fast glauben, dass die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, plötzlich eine notwendige Qualifikation für AMS-Mitarbeiter wurde.
Doch das war 2015. Und nun, knapp ein Jahrzehnt später, tritt Andreas Babler mit demselben Ansatz auf die Bühne. Er verspricht, Menschen „schnellstmöglich“ in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dabei vergisst er wohl zu erwähnen, dass der Arbeitsmarkt nicht nur Kompetenzchecks, sondern auch reale, überprüfbare Qualifikationen erfordert. Doch wer braucht schon Nachweise, wenn man stattdessen Vertrauen hat? Vertrauen in das Wort von Menschen, die gerade aus Krisengebieten geflohen sind, deren Bildungsinstitutionen vielleicht zerbombt oder im Chaos versunken sind, und deren Zeugnisse oft im Kofferraum des letzten Wagens gelassen wurden, mit dem sie geflüchtet sind. Ein einfaches „Ich hab studiert“ scheint ausreichend zu sein, um das österreichische Arbeitsamt zufrieden zu stellen.
Wie Kaffeesudlesen, nur mit weniger Kaffee
Natürlich ist es einfach, auf einen so verklärten Ansatz zynisch zu reagieren. Doch hinter all dem Sarkasmus steckt eine unangenehme Wahrheit: Die Kompetenzchecks des AMS waren mehr ein Schuss ins Blaue als eine ernsthafte Methode zur Qualifikationsbewertung. In Wahrheit hatte nur ein kleiner Prozentsatz der Befragten echte Belege für ihre Bildungsabschlüsse. Das hinderte das AMS jedoch nicht daran, die Ergebnisse als repräsentativ zu verkaufen. Nicht repräsentativ für den Bildungsstand der Österreicher, sondern für die Erwartungen an die Zuwanderungspolitik, die man den Menschen verkaufen wollte.
In der Zwischenzeit warnte das deutsche Innenministerium, dass „in erheblichem Maße gefälschte Urkunden“ aus der Region auftauchen. Man könnte fast den Verdacht hegen, dass die Begeisterung über die Bildungsabschlüsse der syrischen Akademiker auf ziemlich wackeligen Beinen steht. Aber warum kleinlich sein, wenn es um die Rettung des Arbeitsmarktes geht?
Kompetenz oder Konsequenz
Mit Bablers Ankündigung, die Arbeitslosen „schnellstmöglich“ in den Arbeitsprozess zu integrieren, entsteht ein Bild der österreichischen Arbeitsmarktpolitik, das man nur als „heroisch naiv“ bezeichnen kann. Es scheint, als hätte man nichts aus den Kompetenzchecks von 2015 gelernt. Wieder soll man dem Wort der Menschen vertrauen, die sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren wollen, ohne dass man dabei allzu sehr auf Details wie überprüfbare Abschlüsse besteht. Schließlich hat man ja „keinen Grund anzunehmen, dass die Leute lügen“.
Die Konsequenzen dieser Haltung dürften allerdings weniger heroisch ausfallen. Denn während das Vertrauen in die Qualifikationen wächst, bleibt die Realität des Arbeitsmarktes bestehen. In Deutschland hat man festgestellt, dass 81 % der Flüchtlinge keine formale Qualifikation haben. Ein Fakt, der den Kompetenzchecks in Österreich eine eher fragwürdige Bedeutung beimisst.
Wie sich die Bürokratie selbst austrickst
Am Ende dieses satirischen Reigens bleibt die Frage: Was bleibt von Bablers Versprechen, wenn man ihm den Glanz des Kompetenzchecks nimmt? Ein weiteres Beispiel für das ewige Spiel der Bürokratie, bei dem Papier, Zeit und Ressourcen verschwendet werden, um am Ende festzustellen, dass man – oh Wunder – auch mit Vertrauen nicht viel weiterkommt. Es ist eine bittere Pille, die jedoch von der lächelnden Maske der österreichischen Verwaltung mit Zucker überzogen wird: „Es gibt keinen Hinweis, dass uns die Menschen angelogen haben.“
Und so schließt sich der Kreis: Babler baut auf die Errungenschaften von 2015, als würde er ein Schloss aus Karten auf einem wackeligen Tisch errichten. Und während das Overtone-Fenster sich öffnet und schließt, bleibt nur eines sicher: Die Kompetenzchecks werden das Land nicht retten, genauso wenig wie sie es 2015 taten.
Quellen und weiterführende Links:
- AMS Kompetenzcheck 2015, Pressemitteilung
- Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung