ISLAM – RELIGION ODER IDEOLOGIE?

EIN VOLLSTÄNDIGES IDEOLOGIEGEBÄUDE

Der Islam wird in westlichen Diskursen nicht nur als eine Religion, sondern als eine umfassende Ideologie betrachtet, die nahezu alle Aspekte des Lebens ihrer Anhänger regelt. Während westliche Religionen als spirituelle Überzeugungen angesehen werden, die weitgehend den privaten Bereich betreffen, beansprucht der Islam, eine totalisierende Weltsicht zu bieten. Diese Ideologie erstreckt sich über rechtliche, moralische und soziale Normen und bildet ein kohärentes System von Werten und Vorschriften, das die persönliche und gesellschaftliche Existenz seiner Gläubigen durchdringt. Diese umfassende Natur des Islams stellt eine Herausforderung dar, wenn es um die Integration in pluralistische Gesellschaften geht, die auf anderen Werten und Normen basieren.

Ablehnung des westlichen Systems

Ein auffälliges Merkmal der islamischen Ideologie ist ihre kritische Haltung gegenüber westlichen Werten und Systemen. Anhänger des Islams, die sich stark an den Prinzipien ihrer Religion orientieren, zeigen eine ablehnende Haltung gegenüber westlichen Demokratien, Rechtssystemen und kulturellen Normen. Der Westen wird dabei als moralisch dekadent und kulturell inkompatibel mit den Prinzipien des Islams dargestellt. Diese kritische Haltung steht im Widerspruch zur gleichzeitigen Inanspruchnahme sozialer Vorteile und Sozialleistungen, die von diesen westlichen Systemen bereitgestellt werden. Diese Doppelstandards werfen grundlegende Fragen zur Integration des Islams in westliche Gesellschaften auf. Wie kann eine Ideologie, die sich so stark gegen die westliche Ordnung stellt, gleichzeitig von deren Vorteilen profitieren, ohne die Grundwerte dieser Ordnung zu untergraben?

Querfront zwischen Linken und Muslimen

In der westlichen Welt ist eine bemerkenswerte Querfront zwischen Teilen der politischen Linken und der muslimischen Gemeinschaft zu beobachten. Initiativen wie „Queer for Palestine“ veranschaulichen eine unorthodoxe Allianz, bei der progressiv eingestellte Gruppen mit islamischen Organisationen kooperieren, obwohl deren Wertvorstellungen grundlegend unterschiedlich sind. Diese unorthodoxe Partnerschaft ist eine politische Anomalie, die die Komplexität der Allianzen und Konflikte in der modernen westlichen Gesellschaft widerspiegelt. Sie zeigt die Spannungen auf, die auftreten, wenn verschiedene ideologische Perspektiven aufeinandertreffen und sich politisch miteinander verflechten.

Die Rolle der Frau

Die Rolle der Frau im Islam ist ein besonders umstrittenes Thema, das in westlichen Gesellschaften als Symbol der Unterdrückung betrachtet wird. Praktiken wie das Tragen der Burka oder des Niqabs werden als Zeichen einer patriarchalen und rückständigen Haltung gegenüber Frauenrechten interpretiert. Diese Traditionen stehen im Widerspruch zu den westlichen Idealen der Geschlechtergleichheit und Frauenemanzipation. Darüber hinaus gibt es auch Forderungen nach Anerkennung religiöser Mehrfachehen und der Praxis der Mädchenhochzeiten, die in westlichen Gesellschaften als gravierende Menschenrechtsverletzungen angesehen werden. Diese Herausforderungen werden durch die Ablehnung von Frauen im öffentlichen Bereich, wie etwa Lehrerinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern, weiter verstärkt. Diese Praktiken behindern nicht nur den Fortschritt in Richtung Geschlechtergleichstellung, sondern stellen auch eine erhebliche Barriere für die Integration in eine offene und gleichberechtigte Gesellschaft dar.

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Einfluss auf Lebenswirklichkeiten und „Haram“-Konzepte

Die islamische Ideologie beeinflusst die Lebenswirklichkeiten ihrer Anhänger maßgeblich durch das Konzept des „Haram“ (verboten) und „Halal“ (erlaubt). Diese strikte Kategorisierung von Handlungen und Verhaltensweisen beeinflusst zahlreiche alltägliche Entscheidungen und sozialen Interaktionen. Der Konsum von Alkohol, der Kontakt zwischen den Geschlechtern und andere alltägliche Aspekte des Lebens sind durch islamische Vorschriften stark reglementiert. Diese Vorschriften stehen zumeist im Widerspruch zu westlichen Normen, die auf individueller Freiheit und Gleichheit basieren. Die Auswirkungen dieser Vorschriften auf das alltägliche Leben und die gesellschaftliche Integration der Muslime in westliche Gesellschaften verdeutlichen die Spannungen und Konflikte, die sich aus der Konfrontation von religiösen und kulturellen Normen ergeben.

Integration des Scharia-Rechts

Das Scharia-Recht bildet einen zentralen Punkt der Diskussion um den Islam als Ideologie. In vielen islamischen Ländern ist die Scharia ein wesentlicher Bestandteil des Rechtssystems, das sich erheblich von den Prinzipien der westlichen Rechtsstaatlichkeit unterscheidet. Die Anwendung oder der Einfluss der Scharia in westlichen Staaten wird oft als Bedrohung für die bestehenden Rechtssysteme und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit angesehen. Die Scharia behandelt Bereiche wie Strafrecht, Familienrecht und Vertragsrecht und steht in starkem Widerspruch zu westlichen Rechtsnormen, die auf universellen Menschenrechten und der Trennung von Religion und Staat basieren. Die Frage, wie die Scharia in westlichen Gesellschaften behandelt werden sollte, ist von zentraler Bedeutung für die Diskussion über die Integration des Islams in diese Gesellschaften.

Die Kairoer Erklärung, die 1990 von der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) angenommen wurde, stellt die islamischen Werte und die Scharia in den Mittelpunkt der Menschenrechte und bietet einen Rahmen, der von den westlichen Menschenrechtskonventionen abweicht. Während sie grundlegende Menschenrechte anerkennt, betont sie gleichzeitig, dass diese Rechte im Einklang mit den islamischen Prinzipien stehen müssen, was zu Spannungen mit universellen Menschenrechtsnormen führen kann. Diese Divergenzen zeigen sich besonders in Bereichen wie Gleichstellung der Geschlechter und religiöse Freiheit, wo die Scharia oft als restriktiv und im Widerspruch zu den westlichen Vorstellungen von Menschenrechten angesehen wird.

Religiöser Extremismus und Terrorismus

Ein besorgniserregender Aspekt der Diskussion um den Islam ist die Verbindung zwischen extremen Auslegungen des Islams und terroristischen Aktivitäten. Gruppen wie Al-Qaida und der IS vertreten eine Form des Islams, die weit über den religiösen Glauben hinausgeht und ideologische sowie gewalttätige Ziele verfolgt. Diese extremistischen Interpretationen sind nicht nur eine Bedrohung für die betroffenen Regionen, sondern werfen auch ernsthafte Fragen zur Sicherheit und Integrität westlicher Staaten auf.

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In den letzten Jahren hat Europa eine Reihe erschreckender islamistischer Attentate erlebt, die das Ausmaß der Bedrohung durch extremistische Gewalt verdeutlichen. Zu den verheerendsten Anschlägen zählt das Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ in Paris im Januar 2015, bei dem zwölf Menschen ermordet wurden, weil die satirische Zeitschrift als „beleidigend“ für den Islam angesehen wurde. Ein weiteres Beispiel ist der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016, bei dem ein Attentäter, der sich dem IS zugehörig bekannte, zwölf Menschen tötete und zahlreiche Verletzte hinterließ. Zudem sind die zahlreichen Messerangriffe, die in Städten wie London, Paris und Wien verübt wurden, symptomatisch für die eskalierende Gewalt. Diese Angriffe, oft von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen durchgeführt, tragen zu einem Klima der Angst und Unsicherheit bei.

Der Zusammenhang zwischen extremistischem Islam und Terrorismus unterstreicht die Notwendigkeit, radikale Interpretationen zu verstehen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu adressieren.

Diskussion über die Trennung von Religion und Staat

Die Diskussion über die Trennung von Religion und Staat ist im Kontext des Islam von zentraler Bedeutung, insbesondere in westlichen liberalen Rechtsstaaten, die auf Prinzipien der Gleichheit und Unabhängigkeit von religiösen Einflüssen gründen. Der liberale Rechtsstaat darf in dieser Hinsicht keinesfalls weichen, denn die Unabhängigkeit von religiösen Vorgaben ist eine Grundsäule demokratischer Gesellschaften. Es ist unerlässlich, dass alle religiösen und ideologischen Gruppen, einschließlich der muslimischen Gemeinschaft, sich an diese Prinzipien halten, um eine harmonische und gerechte Gesellschaft zu gewährleisten. Akzeptanz und Integration sollten auf der Grundlage eines respektvollen Dialogs und der Einhaltung der grundlegenden Werte des Rechtsstaats erfolgen, wobei jedoch eine klare und konsequente Wahrung der Trennung von Religion und öffentlichem Leben gefordert und erwartet wird.

Kulturelle Integration und Identitätskonflikte

Die kulturelle Integration von Muslimen in westliche Gesellschaften gestaltet sich besonders herausfordernd, da viele Aspekte der islamischen Ideologie im Widerspruch zu westlichen Werten und Prinzipien stehen. Die tiefgreifenden Differenzen zwischen islamischen Normen und den Grundwerten offener und pluralistischer Gesellschaften können zu erheblichen Identitätskonflikten führen. Dennoch rechtfertigen diese Konflikte keinesfalls die Schaffung von Parallelgesellschaften, die westliche Werte untergraben. Vielmehr muss eine klare und konsequente Durchsetzung der Anpassung an die Werte der offenen Gesellschaft erfolgen, ohne Kompromisse oder Relativierungen. Die Spannungen, die aus der Integration von Individuen aus unterschiedlichen kulturellen und ideologischen Kontexten entstehen, verdeutlichen die Gefahren eines mangelnden Integrationswillens und unterstreichen die Notwendigkeit einer präzisen Definition von Mindeststandards, die sowohl vom Staat als auch von der Gesellschaft gefordert werden. Fehlt diese klare Orientierung, muss die Integration als gescheitert angesehen werden, was gravierende Konsequenzen für die gesellschaftliche Kohäsion und den sozialen Frieden nach sich ziehen könnte.

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