Die kuschelige illiberale Demokratie

Willkommen im gemütlichen Autoritarismus

Illiberale Demokratien sind wie jene heimlichen Kalorienbomben, die so verlockend schmecken und so bequem konsumierbar sind – man weiß, dass sie nicht gut für einen sind, aber sie bieten diese unmittelbare, betäubende Wohligkeit. Sie versprechen Stabilität, Sicherheit und Ordnung in einer Welt, die zunehmend chaotisch wirkt. Doch während sie diese scheinbaren Vorteile verkaufen, entziehen sie der Gesellschaft unmerklich das Fundament der Freiheit. Wie kommt es also, dass das Leben in einer solchen Demokratie so kuschelig und bequem wirken kann, obwohl die Grundrechte schwinden?

Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie komplex. Es liegt an der Mischung aus Bequemlichkeit, Abhängigkeit und der raffinierten Manipulation durch die politische Klasse. Doch lassen wir uns Zeit – bequem wie in einer illiberalen Demokratie – und schauen wir uns diese Mechanismen näher an.

Von der Freiheit zur Sicherheit

In einer Welt, in der die Schlagzeilen von Krisen, Unsicherheit und globalen Bedrohungen bestimmt werden, sehnen sich viele Menschen nach einem Ort, an dem sie sich geborgen fühlen können. Die klassische liberale Demokratie war lange Zeit ein Hort dieser Sicherheit, aber sie verlangt etwas von den Bürgern: Verantwortung, kritisches Denken und Engagement. Das ist anstrengend, und seien wir ehrlich – wer hat heute noch Zeit für diese Mühen?

Die illiberale Demokratie bietet hingegen eine fast mütterliche Umsorgung: Sie nimmt dem Einzelnen die Bürde der politischen Mitgestaltung ab, während sie verspricht, sich um alles zu kümmern. Ein autoritärer Führer, der die Entscheidungen trifft, mag zwar Freiheiten einschränken, doch er verschafft auch Ruhe. Man muss sich nicht mehr in endlosen Debatten über komplexe politische Fragen verlieren. Die Regierung handelt – effizient, entschlossen, und wenn sie es gut macht, merkt man kaum, dass sie einem die Verantwortung aus der Hand genommen hat.

Die trügerische Stabilität

Ein weiterer Grund, warum das Leben in einer illiberalen Demokratie so bequem erscheinen kann, ist die Illusion von Stabilität. Wo in liberalen Demokratien die politische Landschaft von einem ständigen Wechselspiel aus Wahlen, Koalitionen und wechselnden Mehrheiten geprägt ist, herrscht in illiberalen Systemen oft die beruhigende Konstanz. Der starke Mann oder die starke Frau an der Spitze bleibt über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte im Amt – ein Fixpunkt in einer unruhigen Welt.

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Man kann sich einrichten in diesem System. Keine unangenehmen politischen Überraschungen, keine radikalen Kurswechsel. Stattdessen das Versprechen: „Ich regiere für euch, ihr müsst euch nicht sorgen.“ So wird die Demokratie auf die Rolle einer fernen Show reduziert, bei der der Bürger Zuschauer bleibt, während die eigentlichen Entscheidungen in den Hinterzimmern der Macht getroffen werden. In einer Zeit, in der Unsicherheit zu einem Grundgefühl geworden ist, wirkt diese Art von Beständigkeit fast wie eine warme Decke, unter die man sich zurückziehen kann.

Der Lockruf des Wohlstands

Ein weiteres bequemes Element illiberaler Demokratien ist ihr Fokus auf wirtschaftliche Stabilität und Wachstum. Sie inszenieren sich oft als besonders fähig darin, die Wirtschaft anzukurbeln – frei von den „Hindernissen“ demokratischer Prozesse. Während liberale Demokratien durch lange Gesetzgebungsverfahren und öffentliche Debatten zuweilen wie schwerfällige Tanker wirken, präsentieren sich illiberale Regime als flinke Schnellboote: Entscheidungen werden schnell getroffen, große Infrastrukturprojekte rasch umgesetzt, und das alles, ohne dass man lästige Bürgerbeteiligung in Kauf nehmen müsste.

Der Bürger wird so zum Konsumenten, der an einem angenehmen Leben teilhaben kann, ohne sich um die lästige Politik zu kümmern. Solange der Wohlstand wächst und das Einkommen sicher bleibt, warum sollte man sich dann mit Fragen der Pressefreiheit oder der Gewaltenteilung befassen? Der Kühlschrank ist voll, die Urlaubsreise gesichert – was will man mehr?

Das gemeinsame Kuscheln gegen den „Feind“

Illiberale Demokratien sind besonders geschickt darin, ein gemeinsames Feindbild zu schaffen. Es gibt immer „die anderen“, die das Land oder die Gemeinschaft bedrohen: Migranten, fremde Mächte, politische Gegner. Diese Feindbilder schweißen die Bevölkerung zusammen – gegen einen gemeinsamen Feind kämpft es sich nun mal viel gemütlicher, als sich mit den internen Widersprüchen auseinanderzusetzen. Die Regierung inszeniert sich dabei als Beschützer vor äußeren Gefahren, während im Inneren die Opposition als Verräter dargestellt wird.

Man fühlt sich auf der „richtigen Seite“: Wir gegen die, der Staat gegen die Feinde der Nation, das Volk gegen die Elite. Diese simplifizierte Sicht der Dinge schafft eine Art kollektive Nestwärme. In den Medien wird die Bedrohung stetig heraufbeschworen, während der „starke Führer“ verspricht, uns alle vor dem Chaos da draußen zu schützen.

Das kuschelige Gefühl der Machtlosigkeit

Ein besonders raffiniertes Element illiberaler Demokratien ist die psychologische Beruhigung durch das Gefühl der Ohnmacht. In liberalen Systemen wird der Bürger ermutigt, sich aktiv zu beteiligen, auf die Straße zu gehen, zu protestieren, Wahlen zu beeinflussen. Das kann Stress verursachen. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. In einer illiberalen Demokratie jedoch wird der Bürger Stück für Stück von diesen Pflichten entbunden. Die Entscheidungen werden an der Spitze getroffen, das politische Leben findet auf einer Bühne statt, die für die meisten Menschen unerreichbar ist.

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Dieses Gefühl der Machtlosigkeit mag auf den ersten Blick bedrohlich wirken, doch es kann auch eine seltsame Art von Komfort bieten: Man kann sich einfach zurücklehnen, die politische Apathie genießen und sagen: „Es ist doch sowieso alles entschieden, was soll ich mich da einmischen?“ Der Verlust der politischen Partizipation wird zur Bequemlichkeit umgedeutet – ähnlich wie jemand, der sich weigert, selbst zu kochen, weil der Lieferservice doch so praktisch ist.

Ein bisschen Demokratie für den Schein

Illiberale Demokratien sind oft Meister der Inszenierung. Sie behalten einige Elemente der Demokratie bei, aber nur als Hülle. Wahlen finden statt, doch sie sind entweder so manipuliert, dass das Ergebnis vorhersehbar ist, oder es gibt keine wirklichen Alternativen. Parteien dürfen existieren, aber ihre Macht ist beschnitten, und die Medien sind zwar formal „frei“, doch sie werden durch subtile Mechanismen kontrolliert.

Für den durchschnittlichen Bürger bedeutet das: „Es sieht aus wie Demokratie, fühlt sich ein bisschen so an, aber eigentlich kann ich entspannt bleiben, denn viel wird sich ohnehin nicht ändern.“ Diese trügerische Freiheit gibt einem das Gefühl, man könnte, wenn man wollte – aber eigentlich ist es viel angenehmer, einfach das System so zu akzeptieren, wie es ist. Das Leben bleibt schön kuschelig.

Der Preis der Bequemlichkeit

Das kuschelige Leben in einer illiberalen Demokratie hat seinen Preis, auch wenn er zunächst unsichtbar bleibt. Die Illusion von Sicherheit und Stabilität mag trügerisch angenehm wirken, aber sie basiert auf der Erosion grundlegender Freiheiten. Die Bequemlichkeit, die uns geboten wird, ist in Wirklichkeit eine Form der Entmündigung – wir verlieren das, was Demokratie wirklich ausmacht: die Möglichkeit, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Doch solange der Autoritarismus mit dem warmen Schleier der „Sicherheit“ umhüllt ist, sind viele bereit, diesen Preis zu zahlen. Es ist so viel einfacher, den bequemen Weg zu wählen, als den steinigen Pfad der Freiheit zu beschreiten. Und vielleicht – nur vielleicht – ist genau das das Erfolgsgeheimnis der illiberalen Demokratie.

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