Die Geburt des Monstrums
Alternativlos: Das schrecklichste aller Worte
„Alternativlos“ – was für ein herrlich biederes, sanft auf der Zunge zergehendes Wort. Ein solches Wort, das in seinem Klang so unverfänglich und unschuldig wirkt, wie ein frischer Morgen auf dem Lande, während es in Wahrheit eine eiserne Fessel der Alternativlosigkeit trägt. Es war Angela Merkel, die große Schachspielerin der deutschen Politik, die uns diesen sprachlichen Albtraum geschenkt hat. Denn, sind wir ehrlich: „Alternativlos“ ist nicht nur ein Wort – es ist ein Diktum, eine Philosophie, die jede Debatte verstummen lässt, bevor sie überhaupt beginnen kann.
Und da steht sie also, die gute Angela, und spricht mit leiser, nüchterner Stimme: „Das ist alternativlos.“ Zunächst ging es um die Bankenrettung, dann um den Euro, später um die Flüchtlingskrise – stets wurde uns vermittelt, dass es keine andere Möglichkeit gab. Kein Raum für Zweifel, kein Platz für Diskussion. Alternativlos eben. Doch was bedeutet es, wenn einem politisch aufgeklärten Volk, einem in demokratischen Traditionen verankerten Land, die Alternativen genommen werden? Und wie kommt es, dass wir – in unserer unbändigen Lust an Diskussion und Widerspruch – dieses Wort haben durchgehen lassen?
Ein Wort für Faule
„Alternativlos“ ist die bequemste Ausrede, die man in der Politik finden kann. Es ist der Fluchtpunkt für Politiker, die keinen Mut haben, die wahren Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu durchdenken, geschweige denn dem Volk zu erklären. Es erinnert an das berühmte Schild in der Kantine: „Wir haben keine Alternativen!“ Ein Satz, den man vielleicht noch verstehen kann, wenn das Letzte, was auf dem Menü steht, der lauwarme Gulasch von vorgestern ist. Aber in der Politik?
Ein Politiker, der „alternativlos“ sagt, sagt im Grunde: „Ich habe keine Lust, zu erklären, warum wir das tun.“ Und das, meine Damen und Herren, ist eine Unverschämtheit. Es ist eine intellektuelle Bankrotterklärung. Denn wo wäre die Demokratie, wenn es keine Alternativen gäbe? Wo wäre die Kunst des Regierens, wenn jede Entscheidung eine Einbahnstraße wäre? Was wäre aus den großen historischen Wendepunkten geworden, wenn wir uns mit der „Alternativlosigkeit“ zufrieden gegeben hätten?
Die Diktatur der Vernunft
Die Verfechter des „alternativlosen“ Denkens verstecken sich gern hinter der Fassade der Vernunft. „Es gibt keine andere Wahl, weil dies die vernünftige Entscheidung ist.“ Nun ja, aber was ist Vernunft? Ah, die wunderbare Relativität der Vernunft! Wie oft schon hat sich das, was heute als die einzig vernünftige Entscheidung gilt, morgen als eine kolossale Dummheit erwiesen?
Es ist der alte Trick der „Realpolitiker“, die Komplexität der Welt auf eine simple binäre Logik zu reduzieren. Merkel hat uns beigebracht, dass es in der Politik offenbar nur noch eine „rationale“ und damit zwangsläufig „alternativlose“ Entscheidung gibt. Die anderen Möglichkeiten, so wird suggeriert, seien wahlweise naiv, gefährlich oder – im schlimmsten Fall – populistisch. Man stelle sich einmal vor, die großen Denker der Aufklärung hätten so argumentiert: „Demokratie? Ach nein, ist leider alternativlos, dass wir bei der Monarchie bleiben.“ Was für ein fader Gedanke!
Ein Werkzeug der Herrschenden
Die Macht des Wortes „alternativlos“ ist jedoch noch weitaus perfider. Es ist nicht nur faul, es ist auch ein Werkzeug der Herrschenden, um das Volk zu disziplinieren. Eine Demokratie lebt vom Diskurs, vom Widerstreit der Meinungen, von der Auseinandersetzung. Doch was bleibt von der Demokratie, wenn die entscheidenden Fragen nicht mehr verhandelt, sondern als alternativlos abgehakt werden? Es ist die rhetorische Abriegelung der Debatte.
„Alternativlos“ ist das, was die Obrigkeit uns entgegenschleudert, wenn sie keine Lust mehr hat, sich rechtfertigen zu müssen. Wenn ein Thema dermaßen durchgenudelt wurde, dass es niemand mehr anfassen will. So wird es von oben herab erklärt: „Kein Widerspruch bitte, das Thema ist durch!“ Es erinnert ein wenig an den Lehrer, der am Ende der Stunde das Licht ausmacht und sagt: „Wir haben keine Zeit mehr für Fragen.“ Der Schüler bleibt verwirrt zurück, vielleicht auch ein bisschen wütend, aber am Ende folgt er dem Befehl.
Demokratie im Winterschlaf
„Alternativlos“ tötet die Debatte. Wenn es keine Alternative gibt, was bleibt dann noch zu besprechen? Kein Pro und Contra, keine Argumente, keine nuancierten Ansichten. Stattdessen bleibt eine graue Monotonie, die alles unter ihrem Gewicht zerdrückt. Und so stirbt die Debatte einen leisen, aber qualvollen Tod. Kein schlagkräftiges Argument, kein epischer Widerspruch, einfach nur ein leises, resigniertes Nicken. „Ja, wenn es denn wirklich keine Alternative gibt…“
Das ist das Problem: Es gibt immer eine Alternative. Oder besser gesagt: Es sollte immer eine Alternative geben. Das ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Aber die „Alternativlosigkeit“ ist der Wintermantel, in dem sich die Demokratie langsam selbst erstickt.
Ein absurder Anspruch
Der Anspruch, dass es keine Alternative gibt, ist ein zutiefst anmaßender. Er erhebt den Anspruch, die absolute Wahrheit zu besitzen, und das ist gefährlich. Die Geschichte lehrt uns, dass die schlimmsten politischen Katastrophen oft aus dem Glauben entstanden, es gäbe nur einen richtigen Weg. Die Idee der Alternativlosigkeit führt zwangsläufig in die Erstarrung, in die Monotonie, in den Totalitarismus des Denkens. Denn wer sagt, dass es keine Alternative gibt, der sagt im Grunde, dass er keine Fehler macht.
Die Politik – gerade die moderne Politik – ist jedoch ein ständiges Experimentieren, ein ewiges Ausprobieren von Möglichkeiten, ein dynamisches Austarieren verschiedener Interessen. Es ist die Kunst, Kompromisse zu finden, Lösungen zu testen, Risiken einzugehen. Das ist das Wesen der Demokratie. Aber „alternativlos“? Das ist der Tod der Politik, der Sieg der Alternativlosigkeit über die Menschlichkeit.
Das Wort auf den Müllhaufen der Geschichte
Es ist an der Zeit, dass wir uns von diesem unsäglichen Wort verabschieden. „Alternativlos“ gehört auf den Müllhaufen der politischen Geschichte, dorthin, wo auch andere leere Phrasen und Worthülsen liegen, die den Diskurs vergiften. Stattdessen sollten wir wieder lernen, Alternativen zu denken. Denn es gibt immer eine Alternative – das ist das Wesen der Freiheit, der Demokratie und des menschlichen Geistes. Es ist der Widerspruch, der uns vorwärts bringt, nicht die Einigkeit. Es ist die Debatte, nicht der Konsens. Es ist der Mut, sich der Ungewissheit zu stellen, nicht die trügerische Sicherheit der Alternativlosigkeit.
Lassen wir uns also nicht länger einreden, dass es nur einen Weg gibt. Es gibt immer mehrere. Und oft sind die aufregendsten, die spannendsten, die gefährlichsten und – ja – auch die besten, jene Wege, die man erst sieht, wenn man den Mut hat, sich umzusehen.
Quellen und weiterführende Links
- Angela Merkel und das Wort „Alternativlos“ – Eine Analyse der politischen Kommunikation während der Eurokrise. Link zur Analyse
- Freiheit und Alternativen: Eine philosophische Betrachtung – Ein Essay zur Bedeutung von Alternativen in der politischen Theorie. Link zum Artikel
- Die gefährliche Macht des „Alternativlosen“ – Politische Debatten und der Niedergang des Diskurses. Link zur Quelle
- Alternativen in der Politik: Die Kunst des Möglichen – Eine Diskussion über die Rolle von Alternativen in modernen Demokratien. Link zum Artikel
Hinweis: Die hier genannten Links dienen als Ausgangspunkt für eine weiterführende Auseinandersetzung mit der Thematik.