Bestseller in der arabischen Welt
Bücher, die niemals verstauben
Es gibt Bücher, deren bloße Erwähnung Unbehagen auslöst – Bücher, die wie in eine Schicht aus Staub gehüllt in den Untiefen verstaubter Bibliotheken vermutet werden. „Mein Kampf“ und „Die Protokolle der Weisen von Zion“ gehören zu dieser finsteren Literatur, die von den meisten als hässliche Relikte vergangener Zeiten abgetan wird. Doch, wie sich zeigt, ist das nicht überall der Fall. Stattdessen prangen sie in Teilen der arabischen Welt in den Schaufenstern von Buchläden, nicht selten dekoriert mit goldenen Lettern, ein Bestseller-Etikett über dem Cover. Eine groteske Tatsache, die sich rational kaum fassen lässt und einen tiefen Blick auf die gefährlichen Dynamiken kollektiver Wahrnehmung und politischer Manipulation gewährt.
Lassen Sie uns einen Schritt zurücktreten und mit einem verdienten Maß an Zynismus die verquere Welt dieser Bestsellerkultur beleuchten. Wie ist es möglich, dass diese Werke, die sinnbildlich für den tiefen Abgrund des Hasses und der Verleumdung stehen, in manchen Ländern immer noch als „Wahrheitsquellen“ gelten? Die Antwort ist ein Flickenteppich aus historischen Missverständnissen, bewussten Falschdarstellungen und einem nicht unerheblichen Anteil an, sagen wir es freundlich, kognitiver Dissonanz.
Der gescheiterte Schriftsteller
Adolf Hitler. Der Mann, der die Welt in einen Krieg stürzte, war in erster Linie ein gescheiterter Maler, dessen schriftstellerisches Talent – gelinde gesagt – begrenzt war. „Mein Kampf“, Hitlers wirres, mit absurden Thesen gespicktes Machwerk, ist kaum lesbar. Ein Buch, das sich von verworrenen Rassentheorien, wirren Strategien und pathetischer Selbstüberhöhung nährt – es gibt wohl kaum ein zweites Werk, das so unabsichtlich die geistige Verarmung seines Autors offenbart. Dennoch, aus irgendeinem unerklärlichen Grund, schafft es dieser literarische Totalschaden in den arabischen Staaten auf die Bestsellerlisten.
Der Autor von „Mein Kampf“ konnte sich kaum vorstellen, dass seine gesammelten Tiraden in einer Region so weit entfernt von seiner Heimat jemals auf fruchtbaren Boden fallen würden. Und dennoch: Man findet das Buch in Beirut, Kairo und Amman auf dem Buchmarkt. Es wird in Schulen als „politisch wertvolle Lektüre“ empfohlen, als Quelle, um die „wahre Natur des Westens“ zu verstehen. Eine absurde Vorstellung, als hätte man einen Monolog eines Wahnsinnigen in einen philosophischen Diskurs verwandelt.
Aber halt, es wäre zu einfach, dies nur als einen Akt des skurrilen literarischen Geschmacks abzutun. Der Erfolg von „Mein Kampf“ in der arabischen Welt ist symptomatisch für ein tief verwurzeltes Problem: die Notwendigkeit, ein Feindbild zu konstruieren. Wie viel einfacher ist es, die eigene Misere einem finsteren Komplott des Westens und der Zionisten zuzuschreiben, als die eigenen gesellschaftlichen Missstände zu analysieren? Hitler – ein Feind meines Feindes – wird zu einem absurden Verbündeten. Der absurde Inhalt des Buches tritt dabei in den Hintergrund, der Verfasser jedoch wird als jemand gesehen, der die „wahre Bedrohung“ frühzeitig erkannt hat. Es ist, als hätte der Dämon des 20. Jahrhunderts plötzlich eine moralische Autorität in einer Welt erlangt, die er verachtet hätte. Ironie des Schicksals, könnte man sagen – aber eine gefährliche.
Die Lüge, die niemals stirbt
Wo „Mein Kampf“ bestenfalls ein peinliches Sammelsurium gescheiterter Welterklärungen darstellt, sind „Die Protokolle der Weisen von Zion“ nichts weniger als die bösartigste Fälschung, die jemals in Buchform gegossen wurde. Ursprünglich im zaristischen Russland fabriziert, um jüdische Bürger zu dämonisieren und Pogrome zu rechtfertigen, erweist sich das Buch als wahrer Überlebenskünstler. Die Protokolle überstanden die Zeit, wie ein Virus, der sich in die Ritzen des globalen Antisemitismus einnistet und überlebt – scheinbar unzerstörbar, unverwüstlich, wider jeder Logik.
Und auch hier ist die arabische Welt kein unbefleckter Ort, der immun gegen die Verlockung dieser perfiden Fiktion wäre. Nein, in der Tat sind die Protokolle in vielen Ländern der Region ein beliebtes Buch – teilweise sogar in Regierungsstellen empfohlen. Man könnte meinen, dass das Informationszeitalter solche Machwerke längst entlarvt hätte, doch das Gegenteil ist der Fall. Es ist, als hätten diese Protokolle ein Eigenleben entwickelt und sich fest in die kollektive Psyche eingebrannt.
Die These der „jüdischen Weltverschwörung“, die „Die Protokolle der Weisen von Zion“ vorantreiben, liefert den perfekten Brennstoff für populistische und autoritäre Regime, die von eigenen Versäumnissen ablenken wollen. Nichts vereinfacht den politischen Diskurs mehr als die Externalisierung der Schuld – und nichts ist leichter, als eine Gruppe zu finden, die seit Jahrtausenden mit Vorurteilen belegt wird.
Die Popularität der Protokolle in der arabischen Welt ist mehr als nur ein Symptom des Antisemitismus, es ist ein Indikator für die große Verlockung der Verschwörungstheorie an sich. In einer Welt, die von Chaos und Ungewissheit geprägt ist, bieten sie eine „einfache Wahrheit“, die zwar falsch ist, aber emotional befriedigend. Und das erklärt auch den literarischen „Erfolg“ dieser Machwerke: Sie stillen ein Bedürfnis nach Orientierung in einer orientierungslosen Welt.
Der Kampf gegen den Mythos
Wie bekämpft man ein Buch, das als Wahrheit verkauft wird, obwohl es eine Lüge ist? Es ist die ewige Frage der Aufklärung. Rationalität und Fakten haben es schwer gegen Emotion und Vorurteil. „Mein Kampf“ und „Die Protokolle der Weisen von Zion“ sind zwei extreme Beispiele dafür, wie gefährlich Falschinformationen werden können, wenn sie als ideologisches Werkzeug in den Händen von Demagogen und Verschwörungstheoretikern landen.
In der arabischen Welt gibt es viele Gründe, warum diese Werke noch immer erfolgreich sind. Bildungssysteme, die kritisches Denken vernachlässigen, Medien, die auf Sensation statt Fakten setzen, und politische Führer, die nur zu gern die Rolle des Verschwörungsnarrativs als Werkzeug zur Machtstabilisierung nutzen. Es ist ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.
Doch es gibt Hoffnung. Zunehmend werden auch in der arabischen Welt Stimmen laut, die sich gegen diese toxische Literatur wehren. Intellektuelle, Akademiker und Aktivisten versuchen, ein anderes Narrativ zu etablieren – eines, das auf Wahrheit und Menschlichkeit basiert. Doch es ist ein harter Kampf, denn die Mythen der Vergangenheit haben tiefe Wurzeln geschlagen.
Ein Spiegel der Verzerrung
„Mein Kampf“ und „Die Protokolle der Weisen von Zion“ sind in der arabischen Welt Bestseller – und dies sagt mehr über die Region aus, als viele zugeben wollen. Es ist nicht nur eine Geschichte von Antisemitismus oder Faschismus, es ist eine Geschichte von Frustration, Desillusion und einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Westen. Die Popularität dieser Bücher zeigt, wie anfällig Gesellschaften für einfache Erklärungen und toxische Ideologien sind, wenn sie keine besseren Alternativen haben.
Die Herausforderung für die Zukunft wird sein, die kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen solche Werke keinen Nährboden mehr finden. Doch bis dahin bleibt uns wohl nur die bittere Erkenntnis: Bestsellerlisten sagen mehr über eine Gesellschaft aus, als wir uns manchmal eingestehen wollen.
Quellen und weiterführende Links:
- Robert Wistrich: Antisemitism: The Longest Hatred – Eine fundierte Analyse des Antisemitismus und seiner historischen Wurzeln, mit einem Kapitel über die Verbreitung von „Mein Kampf“ und den „Protokollen“ in der arabischen Welt.
- Norman Cohn: Warrant for Genocide: The Myth of the Jewish World Conspiracy and the Protocols of the Elders of Zion – Eine detaillierte Untersuchung der Entstehungsgeschichte der Protokolle und ihrer Verwendung als politisches Werkzeug.
- Matthias Küntzel: Jihad and Jew-Hatred: Islamism, Nazism and the Roots of 9/11 – Eine Betrachtung des ideologischen Transfers von antisemitischen Ideen aus Europa in die arabische Welt.
- Online-Artikel:
- The Guardian: „Mein Kampf in the Middle East: The Book that Still Sells in Millions“
- The New York Times: „The Protocols of Zion: How a Fake Conspiracy Theory Refuses to Die“
- BBC News: „Arab