AGEISM
Wie die hartnäckige Kombination aus Ageism und Sexismus Frauen unsichtbar macht
Ab einem gewissen Alter verschwindet die Frau – zumindest aus dem öffentlichen Bewusstsein. Wer abseits der schillernden, medialen Oberfläche nach den realen Frauen sucht, jenseits der 45, wird schnell merken, dass sie in der Werbung, in Filmen, in der Modewelt und in den Medien so gut wie unsichtbar geworden sind. Altersdiskriminierung, auch als Ageism bekannt, trifft Frauen besonders hart, weil sie von einem doppelten gesellschaftlichen Standard betroffen sind. Dieser manifestiert sich in der Mischung aus Sexismus und Ageism, die Frauen nicht nur auf ein bestimmtes Alter, sondern auch auf ihre sexuelle Attraktivität reduziert.
Ageism und das Ende der Sichtbarkeit
Hollywood, als Mikrokosmos der globalen Populärkultur, spiegelt diese Tendenz deutlich wider. Eine Studie der Universität von Südkalifornien zeigte auf, dass Frauen über 45 Jahren in nur drei von 100 der erfolgreichsten Hollywoodproduktionen vorkommen. Zum Vergleich: Männer in dieser Altersgruppe sind zehnmal häufiger vertreten. Frauen jenseits der 40 werden unsichtbar, oder, wenn sie doch auf der Leinwand erscheinen, dann oft durch jüngere Schauspielerinnen verkörpert. Marion Cotillard, 32 Jahre alt, spielte Edith Piaf mit 47 in La vie en rose; Carey Mulligan, gerade 35, verkörperte die fünzigjährige Edith Pretty in The Dig.
Frauen werden in allen Altersstufen auf den falschen Moment reduziert: Zu jung, zu alt, oder – ganz kritisch – in einem „Zwischenstadium“ wie während der Schwangerschaft oder den Wechseljahren. Diese Phasen im Leben einer Frau werden gesellschaftlich marginalisiert, als sei die Frau nur dann von Wert, wenn sie in einem eng definierten Spektrum von Jugend und Sexualität agiert.
Sexismus und Ageism als systematische Barriere
Ageism betrifft nicht nur Frauen, das ist klar. Männer erleben ebenfalls altersbedingte Diskriminierung, aber bei Frauen greift diese Problematik tiefer und intensiver. Die westliche Kultur, die Frauen seit Jahrhunderten über ihr Aussehen definiert, hat es geschafft, Alter zu einem Schreckgespenst zu machen. Während Männer mit dem Alter oft als „gereift“, „weise“ oder gar „erfolgreich“ gelten, sieht man Frauen im besten Fall als verblassend. Der Ausdruck „sie ist gut gealtert“ trägt die implizite Androhung mit sich, dass Alter für Frauen ein Defizit ist, das zu verbergen gilt.
Dieser doppelten Diskriminierung, bei der Sexismus und Ageism zusammenwirken, begegnen Frauen nicht nur in der Unterhaltungsindustrie, sondern auch im alltäglichen Leben. Jenseits der 40 oder 50 scheinen Frauen plötzlich weniger ernst genommen zu werden – im Beruf, im sozialen Leben und selbst im Gesundheitswesen. Frauen berichten, dass sie in Arztpraxen oft nicht mehr als vollwertige Patienten betrachtet werden, ihre Beschwerden als „altersbedingte Normalitäten“ abgetan und ihre Stimmen ignoriert werden. Gesundheitliche Folgen des Ageism, wie Studien zeigen, sind real und alarmierend.
Eine im Journal of Gerontology veröffentlichte Studie belegt, dass Menschen, die sich früh mit Altersdiskriminierung konfrontiert sehen, ein erhöhtes Risiko haben, später im Leben gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Diese reichen von Depressionen über kognitive Beeinträchtigungen bis hin zu chronischen Erkrankungen. Der gesellschaftliche Druck, den Alterungsprozess zu negieren, manifestiert sich somit nicht nur psychologisch, sondern auch physisch.
De gesellschaftliche Tabuisierung der Menopause
Ein besonders stigmatisierter Abschnitt im Leben der Frau ist die Menopause. Der Wechsel, der das Ende der fruchtbaren Jahre markiert, wird in unserer Kultur oft als das Ende der Weiblichkeit wahrgenommen. Die Gesellschaft behandelt Frauen in den Wechseljahren als „unsichtbar“ oder gar als „minderwertig“. Der Rückzug von der Bühne des Lebens erfolgt meist still und heimlich – abseits von Rampenlicht und Glamour.
Die Tabuisierung der Menopause ist ein Aspekt des Ageism, der besonders perfide wirkt. Eine Phase im Leben, die für viele Frauen Befreiung von den gesellschaftlichen Erwartungen, die mit Fruchtbarkeit und Jugend verbunden sind, darstellen könnte, wird zu einem unsichtbaren Territorium gemacht. Wer offen über Wechseljahresbeschwerden spricht, wird belächelt oder abgetan, als handle es sich um eine persönliche Schwäche, und nicht um einen natürlichen, universellen biologischen Prozess. Eine gesellschaftliche Debatte über die Herausforderungen der Menopause findet kaum statt.
Während Männer im Alter weiterhin als potent und aktiv wahrgenommen werden, gelten Frauen ab einem gewissen Punkt als „verbraucht“ – sowohl sexuell als auch beruflich. Dass diese Wahrnehmung nicht nur auf veralteten, patriarchalen Strukturen basiert, sondern sich in den tiefen Mustern der modernen Gesellschaft verfestigt hat, zeigt die Dringlichkeit, Ageism als eine Form von Diskriminierung ernst zu nehmen und gezielt anzugehen.
Die wirtschaftlichen und beruflichen Auswirkungen von Ageism auf Frauen
Ein Bereich, in dem Ageism und Sexismus Frauen besonders trifft, ist der Arbeitsmarkt. Der Mythos, dass ältere Arbeitnehmer weniger produktiv, weniger lernfähig oder gar ein Hindernis für den Fortschritt seien, hält sich hartnäckig. Frauen, die sich zusätzlich mit der Sexismus-Komponente auseinandersetzen müssen, sind doppelt belastet. Eine Studie des Europäischen Parlaments zeigt auf, dass Frauen ab 50 signifikant schwerer eine Anstellung finden als Männer im gleichen Alter oder jüngere Frauen.
Diese Diskriminierung hat weitreichende ökonomische Konsequenzen. Ältere Frauen, die ohnehin aufgrund der Lohnungleichheit und Familienpflichten während ihrer jüngeren Jahre oft weniger Rentenansprüche erworben haben, sind im Alter besonders gefährdet, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Auch die Möglichkeit, auf eine Fortbildung oder eine berufliche Weiterentwicklung zu setzen, wird älteren Frauen oft verwehrt. Stattdessen wird ihnen signalisiert, dass ihre besten Jahre vorbei sind und sie „Platz machen“ müssen für die Jüngeren.
Im Zuge der technologischen Revolutionen und des digitalen Wandels wird diese Form der Altersdiskriminierung sogar noch weiter verstärkt. Frauen über 50 haben es schwer, mit den schnellen Entwicklungen Schritt zu halten, nicht weil sie es nicht könnten, sondern weil man ihnen schlichtweg die Möglichkeiten dazu nicht bietet. So entsteht ein Teufelskreis, in dem ältere Frauen immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Ageism im kulturellen und medialen Kontext: Frauen als bloße Dekoration
Die Medienlandschaft trägt massiv zur Manifestation von Ageism bei. Wer in Serien, Filmen und Werbung nach Vorbildern sucht, wird feststellen, dass Frauen jenseits der 40 meist entweder übersehen oder klischeehaft dargestellt werden. Hollywood hat immer noch ein Problem mit der Repräsentation älterer Frauen: Während Schauspieler wie George Clooney, Harrison Ford oder Denzel Washington im fortgeschrittenen Alter große Rollen und romantische Hauptdarsteller spielen, werden ihre weiblichen Kollegen entweder auf die Rolle der „Mutter“, „Großmutter“ oder „komischen Alten“ reduziert.
Selbst in der Modebranche, die in den letzten Jahren versucht, Diversität und Inklusion zu propagieren, bleiben ältere Frauen die Ausnahme. Das führt zu einem verzerrten Bild der Realität und prägt das kollektive Bewusstsein. Frauen, die in die Jahre kommen, werden als weniger wertvoll oder attraktiv wahrgenommen – eine fatale Folge der medialen Unsichtbarkeit, die sie trifft.
Die doppelte Last der Diskriminierung und der Weg nach vorn
Die Kombination aus Sexismus und Ageism ist eine der subtilsten, aber dennoch mächtigsten Formen der Diskriminierung, die Frauen heute erfahren. Sie reduziert Frauen nicht nur auf ihre biologische Uhr, sondern beraubt sie auch ihrer Würde und ihres gesellschaftlichen Einflusses. Die Unsichtbarmachung älterer Frauen in der Gesellschaft, im Beruf und in den Medien ist nicht nur ein Ausdruck tief sitzender patriarchaler Strukturen, sondern auch ein Versagen moderner feministischer Bewegungen, diese Themen umfassend zu adressieren.
Der erste Schritt zur Veränderung muss in der Sichtbarmachung dieser Problematik liegen. Wir müssen das Narrativ verändern und Frauen in allen Lebensabschnitten als vollwertige, respektierte Mitglieder der Gesellschaft anerkennen. Es ist höchste Zeit, dass Frauen jeden Alters die Anerkennung und den Respekt bekommen, den sie verdienen – im Job, in der Kultur und im Alltag.
Weiterführende Links und Quellen: