Tugendvolles Gemurmel – Tatenlosigkeit in Versace

Man stelle sich eine Bühne vor: die Protagonisten sind die selbsternannten Retter der Welt, die Apologeten des Guten, die Wächter der moralischen Reinheit. Vor dem Scheinwerferlicht sprechen sie in eleganten Phrasen von Gerechtigkeit, Solidarität, Diversität und Inklusion. Sie weben ein Netz wohlklingender Begriffe, so fein gesponnen, dass jeder Widerspruch darin gefangen scheint. Doch abseits der Bühne, im Dunkel der Realität, regiert der Zynismus.

Woke: Ein Begriff, der einst aus den Bürgerrechtsbewegungen aufstieg, wurde mittlerweile zum Schlachtruf der Selbstgerechtigkeit. Es geht nicht mehr um das Aufdecken von Ungerechtigkeit, sondern um die sorgfältige Inszenierung moralischer Überlegenheit. In einer Welt, in der der Schein mehr zählt als das Sein, reicht es, woke zu erscheinen. Doch ein alter Spruch klingt in den Ohren der Unbestechlichen: „Achte nicht darauf, was einer sagt, sondern was er tut.“ Sind wir bereit, die neuen Moralisten an ihren Taten zu messen? Oder verweigern wir uns der bitteren Wahrheit, dass hinter den glänzenden Fassaden wenig mehr als Schaumschlägerei steckt?


Die wohlfeilen Reden der Hypermoralisten: Worte ohne Gewicht

Die wahre Währung der Wokeness ist nicht etwa Tatkraft, sondern die Produktion von Worten. Worte, die im Kreislauf der Selbstbestätigung rotieren, aber selten die Schwelle zur echten Wirkung überschreiten. Die Tugendwächter sind Meister darin, öffentliches Unrecht zu benennen, Privilegien zu „entlarven“ und sich selbst in der Verurteilung anderer als moralische Instanz zu positionieren. Doch wann haben sie zuletzt ihren Komfort geopfert, um tatsächlich etwas zu verändern?

In den sozialen Medien verbreitet sich Empörung schneller als ein Lauffeuer. Ein einziger Tweet genügt, um eine „Unterdrückung“ anzuprangern, doch selten folgt eine tatsächliche Handlung, die über das Blasen von heißer Luft hinausgeht. Aktivismus wird auf das Verteilen von Hashtags und die Teilnahme an virtuellen Diskussionsrunden reduziert. Die „Tat“ besteht darin, zu erscheinen, das richtige Vokabular zu benutzen, die moralisch aufgeladene Pose einzunehmen. Es ist nicht mehr von Bedeutung, was geschieht – nur, dass alle sehen, dass man die richtige Haltung eingenommen hat.

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Doch sobald es unbequem wird, sobald die eigenen Taten gefragt wären, zieht sich der woke Aktivist diskret zurück. Vielleicht ein Instagram-Post über einen gemeinnützigen Zweck, der unglücklicherweise bald wieder vergessen wird. Und währenddessen füllen die globalen Bekleidungsunternehmen weiterhin ihre Kassen mit Sklavenarbeit, während dieselben Aktivisten mit deren Produkten posieren.


Taten, nicht Worte: Der radikale Unterschied zwischen Haltung und Handlung

Die Welt verändert sich nicht durch Worte. Sie verändert sich durch Handlungen. Doch Handlungen, die echten Einsatz verlangen, die Kosten verursachen, sind in der woke Sphäre verdächtig selten. Sie drängen nicht auf tiefgreifende Reformen, wenn dies die eigenen Privilegien gefährden könnte. Die Tatsache, dass jene, die am lautesten nach sozialer Gerechtigkeit schreien, sich in den feinsten Kleidern des Konsumkapitalismus hüllen, bleibt unerwähnt. Es sind die leisen, gefährlichen Widersprüche, die nie öffentlich thematisiert werden dürfen, weil sie die ganze Show entlarven würden.

Beispiele gibt es zuhauf: Während große Konzerne in Regenbogenfarben erstrahlen, um ihre Solidarität mit der LGBTQ+ Community zu bekunden, stehen gleichzeitig ihre Produktionsstätten in Ländern, in denen Homosexualität kriminalisiert wird. Doch wer in diesen Kreisen wagte, dies anzusprechen, würde schnell als „problematisch“ abgestempelt. Kritik an der heiligen Wokeness gilt als Häresie.

Es ist einfach, auf Facebook oder Twitter Solidarität zu zeigen. Doch wo sind die Gesten, die echten Mut erfordern? Wo bleibt die tatkräftige Solidarität, die bereit ist, Risiken einzugehen und zu entbehren? Die wahren Helden sind jene, die sich jenseits der Aufmerksamkeitssphäre engagieren, oft ohne Anerkennung. Sie, die sich in schmutzige Kämpfe begeben, während die woke Elite in klimatisierten Konferenzsälen ihre nächsten Buzzwords austauscht.


Die Fallstricke der Symbolpolitik: Der Tanz um leere Gesten

Es gibt eine besondere Form der politischen Eitelkeit, die ihren Höhepunkt im Phänomen der Symbolpolitik findet. Hier ist die Tatenlosigkeit bereits institutionalisiert. Anstatt substanzielle politische Maßnahmen zu ergreifen, die unangenehme Kompromisse erfordern, wird ein Feuerwerk der Symbole gezündet: Regenbogenfahnen auf öffentlichen Gebäuden, „Diversity“-Schulungen für Angestellte, Gendersternchen in offiziellen Dokumenten.

Es ist nicht so, dass Symbole grundsätzlich wertlos wären. Doch ohne tiefgreifende Veränderungen in den Strukturen und Mechanismen, die Ungerechtigkeit fördern, bleiben sie hohl. Die Regenbogenfahne am Rathaus mag schön sein, doch sie gibt dem obdachlosen queeren Jugendlichen kein Dach über dem Kopf. „Diversity“-Schulungen ändern nicht die Tatsache, dass Unternehmen weiterhin unfaire Löhne zahlen. Und Gendersternchen in Dokumenten verbessern nicht die Lebenssituation von Menschen, die von prekärer Arbeit leben müssen. Die Wokeness inszeniert sich selbst als Bewegung des Fortschritts, doch sie ist längst zur Dekoration einer Status-quo-Gesellschaft geworden.

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Woke Kapitalismus: Die kommerzielle Verwertung der Empörung

In einem Akt besonders raffinierten Zynismus hat der Kapitalismus das woke Narrativ voll und ganz übernommen. Der Begriff „Woke Capitalism“ steht für Unternehmen, die moralische Integrität vorgeben, während sie gleichzeitig eine ökonomische Praxis betreiben, die direkt zum Elend anderer beiträgt. Diese Unternehmen zeigen sich öffentlich als moralisch vorbildlich – indem sie Diversität feiern, faire Arbeitsbedingungen versprechen und sich für Gleichberechtigung starkmachen –, während sie im Verborgenen ihre Profitmaximierung über ethische Prinzipien stellen.

Das perfide Spiel besteht darin, den Konsumenten das Gefühl zu geben, ihre Käufe seien ein Akt moralischer Teilhabe. Wer ein T-Shirt kauft, dessen Etikett mit einem inklusiven Slogan bedruckt ist, glaubt, ein Statement gegen Diskriminierung abzugeben. Doch diese Illusion ist schwerwiegend. Was als Tat verkauft wird, ist nichts anderes als der Versuch, Verantwortung durch Konsum zu ersetzen. Es bedarf keiner tatsächlichen Taten, wenn der Schein des „guten Einkaufs“ ausreicht, um das eigene Gewissen zu beruhigen.


Fazit: Wer handelt, bleibt stumm

Das wahre Problem der Wokeness ist nicht die Idee der sozialen Gerechtigkeit – sie ist so alt wie die Zivilisation selbst. Es ist die Art und Weise, wie diese Idee instrumentalisiert wird, um moralische Überlegenheit zu demonstrieren, ohne die Mühen echter Veränderung auf sich zu nehmen. Es ist einfacher, die richtige Meinung zu haben, als sich die Hände schmutzig zu machen. Es ist einfacher, virtuell aufzuschreien, als real etwas zu riskieren.

Diejenigen, die tatsächlich handeln, haben selten Zeit, um zu predigen. Sie bauen Netzwerke, engagieren sich in Gemeinschaften, sie verändern, ohne Applaus zu verlangen. Sie sind die stillen Helden einer Welt, die im Lärm der moralischen Selbstinszenierung ertrinkt. Mögen wir uns an ihnen orientieren, wenn wir wahrhaftige Veränderungen suchen. Denn, wie schon gesagt: „An ihren Taten sollt ihr sie messen.“


Quellen und weiterführende Links

  • DiAngelo, Robin: White Fragility: Why It’s So Hard for White People to Talk About Racism, Beacon Press, 2018.
  • Klein, Naomi: No Logo: Taking Aim at the Brand Bullies, Knopf Canada, 1999.
  • Kilpatrick, James: „The Rise of Woke Capitalism and the Decline of Genuine Corporate Responsibility“, Journal of Ethics and Social Policy, 2022.
  • Crenshaw, Kimberlé: On Intersectionality: Essential Writings, The New Press, 2019.
  • Zakaria, Fareed: „The Two Faces of Wokeness: How a Movement Lost Its Way“, Foreign Affairs, 2021.
  • Weiterführende Artikel auf Medium.com: Woke Politics Explained, The Myth of Woke Capitalism

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